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Landuf, Landab und von Dorf zu Dorf

Verfasser: MR | Veröffentlicht: Januar 2022

Was haben Nicolas Senn (SRF, «Potzmusig»), Nicole Bircher (Sat.1, «Landuf, Landab») und Mark Ritzmann (Sponti-Car) gemeinsam? Wir alle haben das Privileg, die Schweiz von einer für viele ungewohnten Seite kennenzulernen: abseits der Verkehrsströme. Regelmässig präsentiert Nicole Bircher eine Entdeckungsreise durch die ländliche Schweiz, Nicolas Senn gastiert mit seinem Hackbrett in den Gasthöfen und Beizen auf dem Land und ermöglicht den regionalen Ländlerkapellen ihren grossen Auftritt. Und ich? Ich missioniere im Auftrag der Mobilität der Zukunft. Wir alle sind dabei in Dörfern und Gemeinden unterwegs, die den meisten Schweizerinnen und Schweizern unbekannt sein dürften. Wer war schon in Eggiwil, Mosnang, Hinterkappelen oder Unterschächen? Für mich ist es nicht die Sehnsucht nach der Natur oder die sozialromantische Vorstellung einer heilen ländlichen Welt, die mich in diese Dörfer bringt. Viel mehr liegt mein Interesse bei der oftmals schlechten Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fehlen zeitgemässer Mobilitätsformen.

Mobilität der Zukunft

Die Visionen und Konzepte der zukünftigen «smarten» Mobilität spielen sich alle in der Stadt, mit eventuellem Einbezug der Agglomeration, ab. Die dazugehörige Bildsprache kennen wir alle: Ein Brillen- und Vollbartträger, in der einen Hand den «Cold-Brew» Caffè (natürlich mit Sojamilch), in der anderen das Smartphone, steigt in das im Minutentakt fahrende Tram, tingelt quer durch die Stadt, holt sich einen E-Scooter von der Ladestation und fährt die letzten paar hundert Meter zum Veggi-Laden, um sich frisches Gemüse für sein Abendessen zu besorgen. Die komplette Fahrt hat er aus der Super-App des örtlichen Verkehrsverbundes gebucht: modern, digital und multi-modal. Ja, etwas zynisch, ich bediene mich altbekannter Klischees über Grossstadt-Habitués. Das skizzierte Bild ist jedoch, was den Verkehr betrifft, überaus real. In den Schweizer Städten verfügen wir tatsächlich über ein unglaublich gut funktionierendes Verkehrsnetz. Wer urban lebt, kann problemlos auf ein eigenes Auto verzichten, ohne damit seine Mobilität einzuschränken.

Je ländlicher, desto Auto

Ausserhalb der Ballungsgebiete rund um Zürich, Basel, Bern und Winterthur – in der ländlichen Schweiz – sieht es aber anders aus. Fast jeder hat ein eigenes Auto. Der Klischee-Subaru vor der Haustüre ist genauso selbstverständlich wie Chilbi, Viehschau, Turner-Chränzli, Jodler-Abend oder eben diejenigen Ländlerkapellen, die bei «Potzmusig» ihren grossen Auftritt feiern dürfen. Die meisten Haushalte besitzen in diesen Regionen sogar zwei Fahrzeuge. Die Zahlen des Bundesamts für Statistik sprechen eine deutliche Sprache. Je ländlicher ein Kanton geprägt ist, desto stärker steigt der Motorisierungsgrad an. Diese Entwicklung ist bedenklich. Da der Fokus aller Bemühungen für eine nachhaltigere Mobilität auf den Städten liegt, lässt man die Bedürfnisse der Menschen in den Dörfern komplett aussen vor. Dabei sind die Lebensumstände auf dem Land andere als in der Stadt. Man kauft nicht im Asia-Shop um die Ecke oder im neusten «Unverpackt»-Laden ein, sondern plant den Wocheneinkauf bei Volg, Aldi oder Spar. Der Kaffee wird nicht im Laufschritt zur nächsten Tramhaltestelle getrunken. Es ist auch kein kolumbianischer Cold-Brew-Hochland-Robusto, sondern ein Kafi-Lutz, den man im «Löwen» oder «Schwanen» geniesst. An einem Tisch, im Sitzen.

Das Bedürfnis ist da – aber anders

Dass fehlende Angebote für die Mobilität auf dem Land der mangelnden Nachfrage geschuldet seien, ist schlicht ein Trugschluss aufgrund von Vorurteilen. Verschiedene Firmen wie MyBuxi, Carvelo2go und wir von Sponti-Car zeigen mit unserer tagtäglichen Arbeit, dass auf dem Land und in den Dörfern neue Formen der Mobilität gefragt sind – und umgesetzt werden können. Ich appelliere an die Politik, der ländlichen Bevölkerung eine Mobilitätsperspektive zu geben, die weiter als bis zum Parkplatz vor der eigenen Haustüre reicht. Lassen Sie es nicht zu, dass der Wandel an Ihrem Dorf vorüberzieht und die Bürgerinnen und Bürger im Abseits stehen lässt. Sorgen Sie für Mobilitätsalternativen, die sich nicht hinter den Projekten der Städte verstecken müssen. Damit zukünftig die Gäste auch im Car-Sharing, mit dem Ruf-Bus oder dem gemeindeeigenen Cargo-Velo zur «Stubete» in den Löwen oder auf einen Kafi-Lutz im Schwanen fahren können.

Die Schweiz und ihre Bevölkerung

Per 31.12.2019 lebten 8’606’033 Personen dauerhaft in der Schweiz, verteilt auf 2’261 Gemeinden (Stand 1.1.2019). Der grösste Teil der ständigen Wohnbevölkerung wohnt in einer Stadt oder in der Agglomeration. Doch circa 20 % der Bevölkerung leben auf dem Land, ausserhalb des städtischen Einzugsgebiets. Der Motorisierungsgrad zeigt auf, wie viele Fahrzeuge pro 1’000 Einwohner vorhanden sind: Im urbanen Kanton Zürich liegt dieser Wert bei 484/1’000, im ländlichen Thurgau jedoch bei fast 560 Fahrzeugen auf 1’000 Einwohner.

Quelle: Bundesamt für Statistik BFS
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